2012/10/10

someone turn the lights back on...







3,1 millionen punkte. in langen tagen mühevoller konzentration setzt miguel endara ein bild seines vaters aus den elementarteilchen digitaler graphik zusammen. jede der falten im gesicht seines vaters, selbst die poren seiner gealterten haut: urvertraute züge.
die geschlossenen augen, der unalltägliche ausdruck - ein spiel zwischen dem grausamen realismus einer totenmaske und dem scherz zwischen zwei menschen, die ein halbes leben miteinander verbracht haben.
das eigene gesicht für seinen sohn auf die scanfläche eines kopierers zu pressen - er muss ein mann mit humor sein, miguels held.



ob ich mir manchmal vorstelle, wie mein vater heute wäre, wie er aussehen würde, fragt meine freundin mich vor einigen monaten. wie er wäre als alter mann, der er nie war.
drängender noch: wer wären wir beide zusammen? worüber wir reden würden, worüber streiten? hätten wir etwas, worüber wir uns gemeinsam freuen würden? die musik? irgendwas?
ich weiß, ich habe mich mehr verändert in diesen wirren jahren als er es in der verdienten ruhe seiner 60er getan hätte. das lässt all diese fragen noch mehr im dunkeln tappen.
jetzt denke ich manchmal daran.



warpaint - set your arms down (2010) dave brubeck - koto song (1964)
warpaint - lissie's heart murmur (2010)
tom waits - i'm still here (2002)

2012/10/05

left alone, all alone...





mal waldron schwelgt in erinnerungen. seine trockenen akkorde deuten die umrisse einer frau an, die einst seine arbeit am piano sehr schätzte und sie jener vieler anderer musiker vorzog. waldron begleitete billie holiday in den späten fünfzigern bis zu ihrem frühen tod 1959. hier bereitet er einer leichtfüßige ballade aus holidays repertoire den weg. der mann am saxophon geht ihm unbeeindruckt voran. den blick nach vorn, bestimmt und eigensinnig. manchmal aber fährt er um, mit gespreizten fingern, erregten augen. ein ausbruch unerwartet und doch nachvollziehbar, wie eine gedankenverlorene geste, während man erzählt. er selbst mag holidays gequältes leben zu klängen schmieden wollen, wenn er sein horn in schreie ausbrechen lässt, ihren zähen überlebenswillen. nur, diese bewegungen verraten genauso gut archie shepps eigene ambitionierte vergangenheit, seine ungestüme energie, seinen wachen zorn. wir können über niemanden sprechen, ohne von uns selbst zu erzählen. kein wort verlässt unseren mund in sauberem weiß. wir färben ab.
und das ist wohl gut so. ein glück jedenfalls, dass die beiden reiferen herren bereit sind, die seiten dieses alten buches zu durchblättern. mit kräftigen farben an den fingern, dicke spuren auf dem papier hinterlassend.



archie shepp/mal waldron - easy living (2005)

for those who want some more...

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