komme gerade zurück von einer reise durch die spanischen niederlanden. um den preis für die (für meine bedürfnisse) überflüssige wundervolle ausstattung eines hotelzimmers zu umgehen, hatte ich nach privatzimmern gesucht - günstige hotels gibt es weder in holland, noch in belgien. klassische lücke im angebot... also schliefen wir im kleinen zimmer eines selbstständigen grafikdesigners einmal, im angemieteten zweithäuschen einer übersetzerin ein andermal.
dass privatleute in badeorten etwa das zimmer ihres ausgezogenen sohnes vermieten, ist nichts neues an und für sich, sondern ein stiller begleiter der tourismusindustrie seit deren anfängen - nicht selten unter der hand organisiert von den lokalen tourismusbüros. nur: seit ein paar jahren gibt es mit
airbnb (für airbed & breakfast) ein internetportal, welches anbieter und abnehmer bequem von smartphone oder wohnzimmer aus vermittelt - und dies grenzüberschreitend. schnell kann so ein altbekanntes arrangement seinen charakter vollständig wandeln und einem reisenden eine handvoll zweifel mit auf den weg geben.
fragen, die sich stellen, sind etwa jene nach den auswirkungen angesichts der knappheit von
wohnraum in den städten. das ausgefeilte airbnb-system erzeugt nämlich einen großen finanziellen anreiz (mieten von ca. 50€/tag) dafür, zimmer nur noch kurzfristig, also va. an touristen und nicht an arbeitenden menschen oder studenten, zu vermieten.
zum teil zu recht mag man einwenden: viele anbieter würden nun eine die vermietung eines zimmers ohne airbnb vielleicht gar nicht in erwägung ziehen - wie unsere beiden niederländischen gastgeberInnen. so erscheint eine andere frage noch drängender: wie ist es zu rechtfertigen, dass hier einkommen generiert werden (auf basis von eigentum oder - im fall der untermiete - auf der grundlage eines konsumguts, nämlich der mietwohnung), ohne dass
steuern abgeführt werden? ohne dass der vermieter sich also an den kosten beteiligt, die die allgemeinheit dadurch hat, dass sie für die geschäftsnotwendigen bedingungen sorgt (sicherheit und infrastruktur zuallererst)?
das unternehmen, airbnb, gibt sich als kreativer vermittler, der - auf basis technischer lösungen - gemeinschaft entstehen lässt, probleme löst. die wirtschaftspresse feiert mit ihm ein bahnbrechendes start-up-unternehmen, die avantgarde der internetökonomie. beobachter wollen in ihm - ironie? - "selbsthilfe von unten" sehen, unabhängig von hotels und tourismusindustrie, deren profite sie wenig berühren.
aber entsteht da eine einkommensquelle für die richtigen? die differenzierung, wie oft der scheck von airbnb ein zubrot für
geringverdiener darstelle, wie oft hingegen eine willkommene
rendite für jene, die mehr besitzen, als sie nützen können, greift zu kurz. nicht weil die frage nach der vertiefung unserer sozialen unterschiede keine zentrale politische perspektive darstellen würde.
aber was bedeutet es, wenn wir zwar einerseits dem kleinmieter sein zubrot gönnen wollen und doch zugleich wissen, wie unsere staaten ihre steuereinnahmen in steueroasen und privaten unternehmensprofiten verschwinden sehen, den sozialstaat kleinschrumpfen und mit ihrer arbeitsgesetzgebung jene prekären lebensbedingungen zur normalität machen, welche die selbsthilfe via airbnb erst als vernünftige, zeitgemäße und - ach, warum nicht?! - selbstbestimmte lösung erscheinen lässt. das bedeutet, dass wir individuelle reaktionen auf eine krisenhafte gegenwart als lösungen wahrnehmen, obwohl die es aufgegeben haben, unsere welt zu verändern, die ursachen der krise selbst anzugehen, und stattdessen den menschen nur ein taschengeld in die hand drücken und sie auffordern doch einfach ihr glück zu versuchen.
konsequenz: steuerfreiheit geht letztendlich gar nicht! für kostenspielige angebote, an denen menschen verdienen, die es nicht nötig haben, schon gar nicht.
...oder anders herum -
evgeni mozorov über die freude unserer zeit an marktorientierten, individualistischen lösungen ohne weitblick:
Über die Umwandlung des Privatlebens in Vermögenswerte
(le monde)